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 DAS GOLDENE MÄRCHEN

Neues Thema eröffnenNeue Antwort erstellen Lerninsel des Ordens Foren-Übersicht » Hain der Birke - Hain für unsere Besucher &sid=e73ecf03b09b5ed786181fefe6ff7ae2 » Wiese der Worte und Gedanken, ernsthaft und spassig
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Helge
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BeitragVerfasst am: Do 28 Dez, 2006 00:48    DAS GOLDENE MÄRCHEN Antworten mit ZitatNach oben

PROLOG


Wie ich Euch versprochen habe, werde ich Euch jetzt ein Märchen erzählen, das meine Mutter am Beginn ihres Lebens, lang vor meiner Geburt zu erzählen begonnen hatte, und das sie dann knapp vor ihrem Tod vor einigen Jahren vollendete.

Meine Mutter wurde am 07.07.1907 an einem Sonntag in Rafing, einem Ort wo die Granit-Landschaft des Waldviertels langsam in die sanften, sandigen Hügeln des Weinviertels übergeht, geboren.

Später zog die Familie in eine kleine mittelalterliche Stadt, weiter im Norden, weiter in der Gegend des großen Waldes.

Ihr Studium brachte sie von Wien nach München und gleichzeitig lernte sie die Bergwelt lieben, was zu teilweise extremen Klettertouren in den Alpen führte, von denen sie viele Naturstudien nach Hause brachte, die sich dann in Federzeichnungen, Holzschnitten und diversen Bildern wiederfanden.

Diese Landschaften und Erlebnisse blitzen auch in diesem Märchen immer wieder auf.

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Helge
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BeitragVerfasst am: Do 28 Dez, 2006 00:50    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Das goldene Mädchen
oder
Das Lied vom Leben und das Lied vom Tode


von Herta Pind-Loider



Tief im Walde in einem großen Garten steht das Haus.
Hohe Silbertannen mit Ästen breit und flach und groß, wie Servierteller einer Königstafel stehen darin.

Wilder Wein mit hellen und dunkelgrünen, gelben und purpurroten Blättern klettern daran empor, denn es ist Herbst.

Haselnußstauden, Berberitzen mit roten Früchten.
Alle Obstbäume, die man sich nur denken kann, voll behangen. Brombeerstauden mit langen Bogenranken, mit schwarzen Beeren, so groß wie Daumen.

Um die Mauer des Hauses läuft außen ein Gang aus braunem Holz, nicht hoch, darauf stehen viele rote Pelargonien, also daß es aussieht, als wäre das Haus mit einem Blumenkranz festlich umwunden.

Am First des Hauses hängt ein Hirschkopf mit goldenem Geweih, denn das Haus ist ja ein Waldhaus.

Das heiße Sonnenlicht durchflutet den Garten.
Ein Mann nur wohnt in diesem großen Haus, eine Katze und ein brauner Bär.

Der Mann steht im Garten, hebt lauschend den Kopf zur Sonne.
Mittag! Nun halten Erde und Himmel Hochzeit.
Das ist meine Stunde, so sagt er, und wieder lauscht er. Seine Sinne fliegen über den Wald, bis an sein Ende.

Dort bei den letzten Bäumen im Schatten liegen zwei Kinder. Sie schlafen. Ein Korb mit dunklen Beeren steht neben ihnen.

Eine Hornisse fliegt brummend über ihre Köpfchen. Da erwachen sie, schauen mit Ehrfurcht seine wilde Schönheit. Jetzt fliegt ein Marienkäferlein neben ihm, begleitet es ihn?

Über den Felsen läuft eine grüne Eidechse.
„Das ist ein Märchendrache“, sagt das eine Mädchen, „wenn ich wieder schlafe, träume ich von ihm?

Jetzt habe ich im Traum auf einem hohen Berg ein glänzendes Schloß gesehen, dunkle Reiter sprengten den Weg herab, voran der König mit goldenem Reif.

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Helge
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BeitragVerfasst am: Do 28 Dez, 2006 00:56    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Siehst Du dort im Walde das rote Dach mit dem goldenen Geweih?
Ob wohl ein Zauberer darinnen wohnt?
Zauberer können alle Wünsche erfüllen.
Ich gehe zu ihm!

Was hast Du geträumt?“
„Ich habe nichts geträumt“, sagte das andere Mädchen traurig.
„Was wünschst Du Dir dann, wenn wir zu dem Zauberer kommen?“
„Ich wünsche mir, ich möchte meinen kleinen Vogel wiederfinden.“

Eine Lerche steigt zum Himmel, hoch im silbrigen Blau jubelt sie ihr helles freudetrunkenes Lebenslied.
Über dem Wald kreist ein Raubvogel. „Flieht ihr Sänger“

Ein Käfer fliegt mit klirrenden Flügeln aus dem Gras, nun ist er wieder herabgefallen.

Über den Halmen knarrt es wie von hundert feinen zarten Osterratschen, das sind die Grillen. Die Blumen und Gräser duften heiß und betäubend.
Die grüne Eidechse ist wieder auf den Felsen hinaufgekrochen und liegt träg und funkelnd in der Sonne.

Vom nahen Kirchturm läuten Glocken, bim, bam.
Mittag!

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Helge
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BeitragVerfasst am: Do 28 Dez, 2006 00:59    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Die Sinne des Mannes umfangen die Kinder. „Kommt mit“, flüstern sie.
Da folgen sie ihm schlaftrunken.

„Ich bin der große Zauberer“, sagt der Mann, als sie vor seinem Zaun standen.
„Ihr sollt meine Gäste sein“.

Da gehen sie durch das Tor.
Der Blick des Mannes ist tief und ernst, aber da sie im Garten stehen, wird sein Gesicht rund und fröhlich.

„Wo wollt Ihr schlafen am Abend?
Ich führe Euch durchs Haus.“

Zuerst kamen sie in ein Schlafgemach, das lag zu ebener Erde. Es hatte hohe und spitze Fenster mit bunten Butzenscheiben, sodaß es darin sehr dämmrig und kühl war und viele farbige Flecken am Boden und Wänden spielen.

Alle Stühle, Kasten und das große Himmelbett waren aus schwarzem Ebenholz geschnitzt.
Vier dunkle Engel trugen das Brokatdach des Himmelbettes mit den schweren Vorhängen.
In den Wänden des Himmelbettes und Kasten waren Figuren geschnitzt, doch war alles verstaubt.

„Dürfen wir das abstauben ?“ fragten die Kinder.
„Nein“, meinte der Mann. „Es muß so bleiben. Doch wenn Ihr in diesem Zimmer schlaft, wird es Euch viele Geschichten erzählen, am Tage und bei Nacht.“

„Nein“, sagten die Mädchen, „in einem Museum zu wohnen, ist unheimlich und gefällt uns nicht. Auch sind dann die Geschichten alle verstaubt. Wir wollen lebendige Geschichten.“

Da führte er sie weiter durch viele Räume, helle und dunkle und fröhliche.
Süßer Gesang erklang in diesem und Summen wie von hundert Bienen im anderen.
Dort leuchtete es dunkel und geheimnisvoll.
Sie liefen daran vorbei.
Dort Unwetter, brausender Sturm, Donner, Blitze.
Fort!

Choralmusik ernst erquickend.
Es war dunkel geworden.

Verwirrt ob all diesem Fremdartigen liefen sie immer weiter, bis sie zu einer Kammer kamen. Die lag unter dem Dach.

Das Mondlicht schien durch das große Fenster und lag breit und hell im Raum. Die Nacht stand draußen und die Silbertannen sehr hoch und ernst und hell.

Die Pelargonien leuchteten am Fenster, denn vorbei lief ja rundherum ums Haus der Blumengang. Man sah weit ins Tal hinab und in den Himmel voll blinkender Sterne. Vom Garten herauf strömte durchs Fenster ein herber Duft von Blumen und Früchten.

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Helge
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BeitragVerfasst am: Fr 29 Dez, 2006 00:27    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

„Hier wollen wir schlafen“, sagte das braune Mädchen. „Ich höre sehr viele Geschichten klingen.“

„Das ist sicher nicht wahr“, meinte der Mann lächelnd. „Geschichten hörst Du nur im schwarzen Zimmer.“

„Ja, die dunklen, diese aber sind fröhliche Tanzliedchen“, meinte das kleine Mädchen. „Und wir wollen jetzt schlafen gehen.“
Da ging der Mann fort.

Das braune Mädchen aber, das so gesprochen hatte, wurde „Das goldene Tier“ genannt. Ihr Körper hatte die Farbe von mattem Gold, ihre Haare waren dunkel und gelockt und seidig wie ein Persianerfellchen.

Ihre Augen waren groß und glänzend, ihre Bewegungen von großer Schönheit und Weichheit wie du sie an Tieren nur sehen kannst.
Welcher Mensch hat solch wunderbaren stolzen Gang wie der Löwe, wessen Haltung ist von so hoheitsvoller Einsamkeit wie die des Kamels..Oh, viele Tiere könnte ich dir nennen und ihre Schönheit und Klugheit und wundersamen Eigenschaften preisen wie kein Mensch solche besitzt und wäre er noch so klug und schön und voll geheimer Ahnungen und Wissen.

Das zweite Mädchen wurde nur „Das andere Mädchen“ genannt.
Der Mann „Der wilde Mann“, das hatte aber nichts zu bedeuten.

„Erzähle mir eine Geschichte“, bat das andere Mädchen. „Du hörtest sie.“
Da begann das goldene Tier. Ihre Worte klangen weich, schwangen im Raum und dunkel wie Geigentöne:

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Helge
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BeitragVerfasst am: Fr 29 Dez, 2006 00:31    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Auf einer großen Wiese in einer blauen Glockenblume wohnte eine kleine Elfe, sie hieß Prinzessin Glockenblume und hatte ein goldenes Krönlein im Haar.

Ein stattlicher Horniß mit prächtigem schwarzgoldenen Panzer war ihr Bräutigam. Wenn es Abend wurde und der Mond über dem Wald hervorlugte, kamen große Nachtschmetterlinge geflogen, das waren die Reitpferde der Elfen.

Prinzeßchen kletterte auf den Rücken eines Nachtschmetterlingspferdchens, hielt sich an den Fühlern fest, und -heidi- gings hinab zum Bach auf die große Tanzwiese.

Dort tanzten die Wassergeister mit den Blumenelfen ihren Reigen.
Wenn es Morgen wurde, schlüpften schnell alle Elfen in ihre Blumen. Die Wassergeister aber schwebten und schwangen in feierlichen Kreisen hinauf zur Sonne, die küßte und umarmte sie zärtlich mit ihren Sonnenstrahlen, da fallen sie wieder hinunter auf die Blumen als Tau.

Indes müde vom Tanzen war Prinzessin Glockenblume tief und traumlos eingeschlafen. Das störte die Sonnenstrahlen, sie wollten spielen mit ihr.

„Wach auf, wach auf“, riefen sie. Aber nichts regte sich im Blumengemach.
Da schrie die tiefe grollende Stimme des funkelnd Gepanzerten, aus dem räuberischen Volk der Hornissen: „Wach auf und sing mir ein Abschiedslied, ich ziehe in den Krieg“.

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Helge
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BeitragVerfasst am: Fr 29 Dez, 2006 14:56    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Prinzeßchen lugte zwischen den Blumenblättern heraus, dann rutschte sie am Stengel herab.

„Ade mein Lieb, ich hab es eilig“, und fort war er.
„Dein Lied.., ich sing es, wenn Du zurückkommst“, rief sie ärgerlich.

Was nun tun? Sie ging zwischen den Halmen und Gräsern spazieren.
Hoch wie ein Wald.

Da kam ein großer grüner Drachen gekrochen, sein Panzer funkelte im Sonnenlicht wie Smaragd, faßte das Prinzeßchen an der Hand.
„Ich heiße Eidechse“, schrie er, „Du gefällst mir und sollst meine Frau werden“ und läuft mit ihr davon, durch die Wiese bis zum Wald.

Auf einem hohen Felsen in der Sonne ist seine Wohnung. Dann bindet er ihre langen gelben Haare an sein Vorderbein.
„Damit Du mir nicht davonlaufen kannst, denn ich will jetzt schlafen. Wenn es Abend wird, gehen wir zum Dompfaff.“

Elfchen weinte sehr traurig. Der grüne Drache gefiel ihr gar nicht, sie hatte Sehnsucht nach ihrem kühnen Krieger.

Die Schlacht der Hornisse war zu Ende.
Die Sonne stand noch hoch am Himmel, als der kühnste Hornissenkrieger zur blauen Glockenblume geflogen kam.

„Schläfst Du, mein Fräulein?“ Doch als er die Blätter auseinanderschob, war das Gemach leer.

Da brummte der Horniß zornig und flog zum Laubfrosch.
„Hast Du Prinzessin Glockenblume gesehen?“
Der Laubfrosch wohnte im schattigen Laub, hatte kein Fräulein gesehen.

Da flog der Horniß zur Kröte. „Weißt Du, wo mein Prinzeßchen ist?“
„Mein Reich ist das Wasser“, quakte sie, „hier sah ich sie nicht.“

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BeitragVerfasst am: Mo 01 Jan, 2007 04:18    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Da flog er zur Maus, die aber wohnt unter der Erde, die wußte auch nichts.
Da kam das Sonnenkäferlein geflogen:
„Komm mit, komm mit, ich weiß wo das Prinzeßchen ist.“

Und es flog mit ihm bis zun Felsen in der Sonne am Waldesrand.

Da saß weinend das Elfchen und ihre Haare waren angebunden an einem Vorderbein des schlafenden Drachen.
„Ich ersteche ihn“, schrie wütend der Horniß.
Doch Elfchen faßte ihn beruhigend am Bein: „Wir haben Klügeres zu tun.“

So flogen sie dann zum Dompfaff, der sie auch traute.
Von nun an konnte sie niemand mehr trennen und der grüne Drache schlief ahnungslos seinen tiefen Schlaf und träumte glcklich von dem lieblichen Prinzeßchen.

„Diese Geschichte war mir zu hell,“ meinte das andere Mädchen.
„Ich liebe die dunklen.“

„Morgen erzähle ich dir eine, die dir besser gefällt.“

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Helge
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BeitragVerfasst am: Mo 01 Jan, 2007 04:19    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Als es am nächsten Tag zu dämmern begann, fing sie an:

„Über einer großen Stadt in einem fernen Land spannte sich der weite Nachthimme, und die Milchstraße, der Mond und viele andere Sterne funkelnden in ihrer Pracht.

Sie sahen hinein in ein Dachfenster, das noch höher lag als alle anderen Fenster der Stadt. In einem Kästchen, das vor dem Fenster hing, wuchsen Schnittlauch und Petersilie und einErbsenstrauch rankte sich mit seinem blaßblauen, lila Blüten zart duftend um das Fenster.

Im Zimmer aber lag ein Mädchen, seine Wangen glühten im Fieber, und mit brennenden Augen blickte sie zum Mond:
„Führ du meine Sehnsucht zu ihm, daß sie ihm sage, eile dich, komm !“ - -

Und fiebernd sah sie ihren Liebsten, wie er da plötzlich stand in ihrer Kammer.
„Er streicht mir leise übers Haar, nimmt meine Hand in seine Hände.
Nun ist alles gut.
Er hebt mich auf sein Pferd mit silbernen Flügeln, funkelnden Augen und einem strahlenden Schweif.

Nun fliegen wir hinaus über Dächer, die Gärten, den Wald und die Wolken in den Himmel hinein.“

Sanft strahlt das göttliche Licht, erfüllt den Himmelsraum mit heiligem Geist.
„Nun seid ihr gesegnet beide.“

Die Engel sind mit himmlischer Musik an unserer Hochzeitstafel zu Gast.
Mond und Sonne, die Fixsterne und auch die vielen kleinen Sterne der Milchstraße gratulieren uns.

Aber schon dämmert der Morgen, ungeduldig scharrt das Silberpferd mit seinen Hufen leise wiehernd.
„Können wir nicht bleiben ! Da hebt mich schon meine Geliebter auf sein Pferd und schwingt sich hinten nach.“
„Vater, Mutter,“ rufe ich ängstlich “die große Stadt hat so viele Wege und Straßen, werdet ihr je zu uns finden, der Weg zu euch ist so weit !“

Langsam beginnt das Himmelsroß zu verblassen.

„Es gibt keine Waldhäuser und Einsiedeleien mehr, in die man flüchten könnte.“
Da gleitet plötzlich ein warmes Lächeln über das Gesicht des Mädchens und sinkt herab in sein Herz mit dem letzten milden Strahl des heiligen Geistes.
„Fürchte dich nicht und vertraue, wir sind in dir.“

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Helge
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BeitragVerfasst am: Mo 01 Jan, 2007 04:30    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

„Heute bekommst du eine dunkle Geschichte“, sagte am dritten Abend das goldene Tier zu dem anderen Mädchen.

Am Ende des Dorfes steht ein kleines Haus.
Es ist blitzsauber.
Seine Wände sind weiß getüncht und leuchten hell bei Tag und Nacht.
In seinem Vorgarten stehen blühende Rosenbäume, Stiefmütterchen mit großen dunklen Augen, dicke weiß und rosa Rockerln, sowie Reseden und Lamberta mengen gar süß ihren Duft mit dem der Rosen.

Im Schatten eines Jasminstrauches blühen weiße und gelbe Lilien und Kaiserkronen.
Hummeln und Bienen summen den ganzen Tag im Garten, bunte Schmetterlinge gaukeln über die Beete und wenn es abend wird, kommte aus dem nahen Wald eine Amsel abgeflogen, setzt sich auf den Lindenbaum und beginnt ihr Lied zu singen.

Hinter dem Haus erhebt sich ein hoher Felsen.
In seinen Spalten und Nischen blühen schlanke Königskerzen und Glöckenblumen.
Um ihn herum führt ein schmaler Steig hinauf in die Heide.

Vor dem Haus fließt ein Bach, folgt man seinem Lauf, kommt man durch Wiesen in einen großen tiefen Wald, über dessen Kronen in weiter Ferne Bergketten und Gletscher schimmern.

In dem Haus wohnt eine Frau mit ihren zwei Söhnen.
Sie hat die schweren Zöpfe um ihren Kopf wie eine Krone gelegt.
Ihr Gesicht ist rund und hell, wie das Antlitz einer Sonnenblume.

Schlank und jung sind ihre Söhne.
Der eine hat helle Augen und Haare, sein strahlender Blick ist immer ein wenig gen aufwärts gerichtet.
Der andere hat dunkle Haare, seine Augen abwärts gekehrt scheinen aller Dinge innerstes Wesen zu ergründen.

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Helge
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BeitragVerfasst am: Mo 01 Jan, 2007 04:56    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Am Morgen, wenn noch in der Dämmerung die erste Lerche in die Höhe steigt und ihr zartes silbernes Lied singt, beginnt es sich im Haus zu regen.
Wenn die ersten goldenen Wolken über den Himmel segeln, über des Felsens Rand der erste Sonnenstrahl zittert, bricht es jubelnd aus dem Haus.

Weiche Wollknäuel jagen über die Hänge, von dunklen bellenden Wächtern umspielt.

Er aber, der Helle, erklimmt mit Jubeln und Jauchzen des Felsens steilste Wand.
Hervor zieht er seine Flöte und trillert und wiegt sich, daß alle Sänger von Feld und Wald herbeifliegen, und frohlockend miteinstimmen.

Hat er am Mittag die Höhe erreicht, beginnen sich die Wolken zu ballen.
Da nimmt er seine Geige, aufbrausen die Saiten.
Seine Haare flattern wie helle Flammen, Blitze zucken aus dem Stahl.
Der Donner grollt.

Über seinem Haupte ziehen Adler weite Kreise.
Da wirft er die Geige zum Himmel und der Tag wird wieder heiter.

Nun mal er mit seinem Pinsel schimmernde Bilder, Sonnenblumen in Gold und Grün, zarte Frauen und dunkle Landschaften und solche in silbrigen Nebel getaucht, schmale heilige Männer, und Tiere voll Kraft und Stärke.

Dann nimmt er einen breiten Stift und es entstehen weite Städte und Brücken über breite Flüsse und rauschende Gebirgsbäche, Paläste und trauliche Hütten, Windmühlen, Kirchlein und Stolze Dome.

Es kommt der Abend.
Die Herde zieht mit sanften Läuten ins Tal, verständig traben die Wächter hinter ihnen.

Er aber, der einsame Helle, stützt seinen Kopf in die Hand.
Sein Auge folgt der sinkenden Sonne.

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Helge
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BeitragVerfasst am: Mo 01 Jan, 2007 05:20    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Sein Bruder folgt des Baches Lauf.
Er sucht die goldenen Körnlein auf seinem Grund.
Er geht durch tiefe Wälder, baut Kohlenmeiler und Glashütten, zwingt der Wasser tosend Fall, schürft in den Bergen nach Stein und Erzen und baut giftig, rauchende Schlote.

Da kommen Hast und Gier und gleißender Schmuck, Kriege und berstende Himmel, es kommen Trümmer und Tod über die Städte der Menschen.

Und er beginnt wieder Kräuter zu suchen und die heilenden Steine, streicht über Wunden und gläubige Augen und heilt.

Er ist so müde, ach so müde.

Er folgt des Baches Lauf zurück.
Ehe es ganz dunkel wird, steht er vor dem Haus.
Sehnsüchtig breitet er seine Arme aus und gleich einem Echo kommt es ihm entgegen:
„Bruder, Dich suchte ich.“

Jede Nacht erzählt das goldene Tier eine andere Geschichte und jede Geschichte stellte sich in den Raum, wie eine kleine blitzende Miniatur aus Gold und Silber, bis es davon schon an Wänden, Tischen und Kästen, kurz in allen Ecken glitzerte und flimmerte.
Jede Geschichte sang leise ihre Melodie.
Und das war ein gar wundersames Klingen und Rauschen.

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Helge
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BeitragVerfasst am: Di 02 Jan, 2007 23:49    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Eines Tages spielten die Mädchen und die Katze vor dem Hause, da kam aus dem Wald ein großer Bär getrabt. Welch ein Schreck !

Die Mädchen liefen laut schreiend ins Haus.
Das Kätzchen sah ihnen verwundert nach, und hopste dann zu dem Bären.
Beide legten sich ins Gras, das Kätzchen zwischen seinen Vorderpfoten, und schliefen ein.

Der Wilde Mann nahm lächelnd die Mädchen an den Händen:
„Habt keine Angst, niemand will euch was tun. Seht doch!“

Doch das andere Mädchen verstand ihn nicht, riß sich los, lief zu einer Wand, an der viele alte wundervoll verzierte Waffen hingen, manche schon etwas verrostet, nahm eine gewehrähnliche und brachte sie dem Wilden Mann.

„Gut,“ sprach dieser „spielen wir das Menschenspiel.“
und zum Bären :
„He Faulpelz, wach auf !“

Das Kätzchen entfloch.
Der Bär richtete sich in seiner vollen Größe auf und brüllte so fürchterlich, daß den Mädchen vor Schreck die Beine wegrutschten und sie hinter dem Wilden Mann zu hocken kamen.
Sie umklammerten zitternd seine Beine.

Der Mann hob das Gewehr und schoß, bum.
Der Bär stand und blinzelte.

Der Mann hob das Gewehr zum zweiten Mal und schoß, bum.
Der Bär hebt den Kopf etwas schräger, er blinzelt etwas stärker und seine Körper wiegt hin und her.

Da schoß der Mann zum Dritten mal, bum.
Jetzt zitterte der Bär kurz und fiel dann der Länge nach ins Gras.

Seltsame Töne kamen aus seinem Maul, stöhnend, prustend, spukend.
Es war als stolperte ein Ton über den anderen.
„Jetzt stirbt er.“ Flüsterten die Mädchen.

Da sprang er plötzlich prustend und lachend auf.
„Nein, ihr seid zwei komische Dinger !
Na, so hört doch auf zu bibbern, ich tu euch ja nichts.
Ich bin ein sehr musikalischer Bär und arbeite im höchsten Zirkus der Welt, so hoch wie die höchsten Bäume im Wald.
Ich kann tausend Tänze und wenn ihr wollt, so lehre ich sie euch.“

Tanzen, das taten die Mädchen für ihr Leben gern, verflogen war alle Angst, sie stürmten auf den Bären los, umarmten ihn, was aber etwas Mühe kostete, weil er so dick und so hoch war.

„Wann fangen wir an ?“
„Sachte, sachte, Ihr müßt mich erst zähmen.“
„Ich zähme dich !“ rief das braune Mädchen.

Es richtete sich ganz hoch auf und sagte großartig:
„Ich bin das Goldene Tier. Ich weiß sehr viele Geschichten zu erzählen, in der Nacht und auch am Tage, in meiner Kammer wird alles von Gold.“

Plötzlich wurde sie aber ganz kleinlaut. „Wie zähmt man eigentlich einen Bären ?“
Sie hatte keine Ahnung, böse auf sich selbst rief sie:
„Du bist schon gezähmte !“

Und siehe da, das stimmte ja auch.

Nun lehrte sie der Bär viele interessante und neue Dinge.

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BeitragVerfasst am: Sa 06 Jan, 2007 00:52    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Eines Tages, als sie gerade Pause machten, kam das Kätzchen gelaufen, umschmeichelte ihre Beine und schnurrte. Es wollte auch mit dabei sein.
Das andere Mädchen beugte sich schon hinunter um es aufzuheben.

„Laß das kleine Ding,wir wollen weitermachen“ , brummte der Bär.

Da sprang das Kätzchen zu dem großen Baum dessen Äste sich weit über den Tanzplatz breiteten, kletterte hinauf, lief entlang der Äste bis es zu einer Gabelung kam, in der es sich bequem ausstreckte und zufrieden schnurrend hinunter blickte.
„Es kommt eben immer nur auf die Position an“, meinte es dabei.


Am nächsten Morgen war es stechend heiß, nur zwei kecke Wolken flogen immer wieder an der Sonne vorbei, so daß die Menschen sie nicht sehen konnten, bis der Wind ihr half und die Mutwilligen vertrieb.

Die Wolken aber lachten nur:“Unten im Land ist der Himmel viel größer und weiter, da spielen unsere Schwestern und bauen Wolkenschlösser, Drachen, Menschen, Berge, Schiffe und mächtige Gesichter. Sie bauen, lassen zerfließen und bauen aufs neue, denn es ist viel Platz am Himmel.“

Die Sonne stieg noch ein wenig höher und schien hier und dort und noch weiter.
Im fröhlichen Übermut schickte sie noch ein paar Sonnenpfeile nach unten, die auch die Kinder und den Bären tiefer in den Schatten des Baumes flüchten ließen.

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BeitragVerfasst am: Sa 06 Jan, 2007 00:55    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Kaum lagen sie im Gras schliefen sie auch schon ein.

Nur das goldene Tier wachte noch einmal auf.
„Warum, oh Wilder Mann, sagtest Du zu dem bösen Spiel „Das Menschenspiel“ ? Die ganze Nacht habe ich darüber nachgedacht und fand doch die Lösung nicht. “

„Schlaf nur ruhig ein“, sagte der Wilde Mann „und Du wirst schon verstehen.“


Endloses Dunkel.
Nacht.
Nein.
Nacht birgt noch Licht, man sieht es nicht, man spürt es nur.
Finsternis, immer dichter undurchdringlicher werdend, sich pressend.

Eine Flamme ?
Etwas bricht hervor, rundet sich, steigt hoch, löst sich.
Eine Sekunde, Millionen Jahre, was ist hier Zeit.

In unendlicher Finsternis, ein heller Punkt.
Nah ? Fern ?
Dunkelheit drügt.
Ein leuchtende Kugel von unendlicher Macht geworfen , sich drehend, donnernd, zischend, kochend – hat ihren Platz gefunden.

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Helge
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BeitragVerfasst am: Sa 06 Jan, 2007 01:35    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Äonen später.
Die Erde – sie strahlt.
Unsagbarer Lärm.
Zehn Wetter, donnernd, brausend und Flammenzungen ins Dunkel schleudernd.

Berge erheben sich und versinken um noch höher empor zu steigen.
Das Schöpferische formt die bildbare Masse.

Glühende Steine schleudert es ins Dunkel: Liebe, Treue und Wahrheit.
Dunkle Steine geworfen in die Nacht: Habgier, Neid und Haß
Leben entzündet die tobende Flamme.

Feuer, gebannt ins Innere umschlossen von erkalteter Erde auf das Wasser zu Meeren und Flüssen werde.

Kontinente, sie stoßen zusammen auf glühendem Grund, trennen sich und binden sich in ewigem Wechsel.

Im Tierreich ein Geschwisterpaar.
Hell und dunkel.
Kleine Geschöpfe die im heiteren Spiel ihre Kräfte messen.
Gleich an Kräften, gleich an Liebe, gleich im Glück.

Da streift Dunkles, ein Schatten das Spiel.
Unbezwingbare Leidenschaft vertreibt das Spiel und die Liebe.

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BeitragVerfasst am: Fr 12 Jan, 2007 02:08    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Leidenschaft umstrickt und fesselt.
Spiel und Liebe sind verschwunden.
Das Dunkle will alles abschütteln, siegen, bezwingen, zerstören.
Maßloser Zorn und Gier läßt alle erzittern.
Haß durchwirbelt das Sein und gebiert den Wunsch zu töten.

Narren, donnert die Stimme, wollt ihr euch selbst zerstören !
Die wechselnden Gefühle stehen als dunkle Schemen hinter ihnen, Schatten ihrer selbst, fahl verzerrt.

„Du liebst das Spiel ?“
„Ich weiß mir kein köstlicheres Tun !“
„Dein Bruder vergaß es, zeige es ihm wieder.“
„Er wird mich töten !“
„Fürchte Dich nicht, Du bist beschützt !“
Und zu dem Dunklen:
„Sieh hinter Dich !“

Da erkennt er sich in den Schatten und flüchtet entsetzt vor sich selbst ins Licht zu seinen Geschwistern.

„Demut siegt !“ sprach die Stimme „So sei sie fürderhin euer Gesetz und Schutz. Nimmermehr soll Bruder den Bruder töten. Doch jede Familie habe ihr eigenes Demutsgesetz !“

Da flog Seele vorbei und jedes Geschöpf erhielt einen Teil von ihr.
So war in ihnen ein geheimes Wissen, daß sie in Not und Zweifel fragen konnten, doch die Antwort geschah in der Sprache des Orakels.

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Helge
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BeitragVerfasst am: Fr 12 Jan, 2007 02:10    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

„Schön das alles gut wurde, das macht glücklich. Doch was ist es mit dem Menschenspiel ?“ fragte das Goldene Tier.

„Das Göttliche ist unendlich“, begann der Wilde Mann.
„Ist Ende auch Anfang ? Und der Raum ? Er ist göttlich. Man soll daran nicht tasten, man würde zerbrechen.

Wunderbar ist die Welt ! Alles geformt und erschaffen nach wohldurchdachten Gesetzen und der Freiheit sich weiter zu bilden.

Nun will Gott den Menschen schaffen.
Welchen Wunsch er wohl hatte ….
Gott ist mächtig, aber nicht allwissend.

Und so schaft er ein neues Wesen, mit kräftigen Beinen die ihn wie einen Pfeil über die Lichtungen tragen, mit langen Armen, um am Ende seines pfeilschnellen Fluges die Äste zu erfassen und sich weiter hinauf in dei Kronen der Bäume zu schwingen.

Und so tanzt das Menschengeschlecht von West nach Ost, hoch und tief von Nord nach Süd.
Welch eine Lust zu schreien und singen, den groß ist auch sein Mund.
Er ist glücklich unsagbar glücklich.

Gott entläßt ihn.
Er will ihn noch einmal schauen.
„Nein schön ist er nicht und ein Fell hat er auch noch.“
Ist Schönheit Glück ?

Gott steht sinnend, ein zärtliches Lächeln auf seinen Lippen.
Schon liebt er ihn, den noch nicht geborenen.

Liebe die zur Schönheit wird meiselt er noch hinein.
„Ich will den Menschen nach meinem Ebenbild schaffen.“ spricht er dabei.

Und wie er ihn da vor sich sieht, in all seiner Schönheit und Stärke mit einem Lächeln auf seinen Lippen ruft Gott im höchsten Glück des Schaffens :
„Du bist frei !“ und entläßt ihn so aus dem Schutzgesetz der Tiere.

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Helge
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BeitragVerfasst am: Sa 13 Jan, 2007 00:05    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Das Paradies.
Ein kleines Menschenkind liegt im Gras und schläft.
Gras und Blumen neigen sich wie schlanke Bäume darüber.
Es erwacht und sieht voller Staunen in den blauen Himmel.

Zicklein kommen gehopst, stupsen es an und überkugeln es übermütig.
Würdig erscheint die große Ziege und läßt ihre Kinder und auch das Menschenkind trinken.

Es wächst schnell zum jungen Menschen heran, den die große Ziege zum großen Berg führt und mit ihm die steilsten Stellen hinaufklettert.
Er lernt schnell und kennt nicht Furcht nur Freude.

Nun steht er am Gipfel.
Strahlendes Weiß, Gipfel an Gipfel, tief unten Wälder, Wiesen – blumengeschmückt, Flüsse, Seen und in weiter Ferne das Meer.
Er schaut und schaut und kann das Glück nicht fassen.

Jetzt stürmt er hinunter, von Fels zu Fels springend zum Fluß.
Auf dem Baumstamm schwimmt er zum Meer, stürzt hinein in die Wogen, wo Delphine in tragen.
Im Spiel lehren sie ihm das Tauchen in der Tiefe und warnen :
„Du mußt uns jetzt verlassen, tauche auf, Du bist Mensch !“
„Wäre ich doch Delphin !“

Auch Grauwale sangen, zur Begrüßung schufen sie Lieder nur für ihn.

Affen kamen aus den Wäldern:
“Wir lehren Dich die höchsten Bäume zu bezwingen und dich durch die Weite schwingen !“

„Wie schön ist es zu leben und zu lernen ! Neue Geschöpfe und neues Wissen !“

Da flog ein Adler über ihn:
„Ich würde Dich gerne zurücktragen, aber Du bist gewachsen, Du bist zu groß geworden.

Aber das Feuer im Inneren tobt und brüllt, heftige Stöße lassen die Erde erzittern.
Das Feuer, es will hinaus, will frei sein, sich entfalten in seiner schaurigen Pracht.
Es bohrt und reißt, es stoßt und zerrt, da bricht es aus dem Gipfel des Berges.

Zischend und brüllend rasen Feuerstürme in den Himmel, Brocken und Schlamm aus dem Körper reissend die zäh, als glühende Lava alles Leben umfängt und verdirbt.

Doch hat sie am Fuße des Berges das Meer erreicht schafft sie erkaltend auch neues Land.

Doch der Feuersturm tanzt weiter um das wilde Geschehen, Feinstoffliches mit sich tragend, es ausschüttend. Gut und Böse, Liebe und Haß.

Krieg flammt über die Erde.
Bruder erschlägt den Bruder und Völker vernichten Völker.
Doch in all dieser Not und dem Tod im Angesicht beginnt auch eine wundervolle Blume zart zu keimen.

Und dann steht der schuldige Mensch vor seinem Gott.

„Wird er ihn strafen ?“, fragen angstvoll die Kinder.
„Gott ist nur Liebe, er straft nie, wurde der Mensch doch schuldlos schuldig. “
Ganz verloren stehen die Kinder ob all dem Gehörten und versuchen zu verstehen.

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BeitragVerfasst am: Sa 13 Jan, 2007 22:54    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Das Liebesschiffchen


„Kleines Mädchen“, sagte das Goldene Tier am nächsten Abend, „heute habe ich Deine Geschichte gehört.“

Kleine Glocken läuteten, bim bam, bim bam, und ein kleiner Vogel sang dazu.
„Liebesschiffchen, Liebesschiffchen …. “
Und ich roch den Duft von roten Rosen, dunkel und ein wenig traurig.

Ich sah in einem Wald einen See.
In der Mitte war er dunkel, und an den Ufern zu ganz licht und silbrig.
Ein kleines Mädchen stand da, wo das Ufer seicht und man die bunten Steine im Wasser glänzen sah.

Es hielt ein Schiffchen am Bug und schmückte es mit zarten Blumen und der Wind kam und trieb es in den See hinaus und blähte seine schimmernd weißen Segel.
Das Mädchen schlug die Hände zusammen und lachte voll Freude.

Der Wind trieb das Schiffchen weit, weit in den See hinaus, immer in der Sonnenbahn, daß es ganz aufgelöst wurde im Licht, dann drehte er sachte und bließ es wieder an das Ufer zurück.

Und das Mädchen lachte und lief, um neuen Schmuck für sein Schiffchen zu suchen.

Es rief : „Wind, Wind, laß dich fangen!“
Aber der Wind lief immer vor ihr her, war immer noch ein wenig schneller, fast wollte sie darüber traurig werden.

Da nahm sie ein großes Blatt und warf es in die Höhe.
Und der Wind fing das große Blatt, trug es bald hoch, bald tief, bald vor bald seitlich und mal gelang es das Blatt zu fangen und mal wirbelte es wieder davon.
Spielend kamen sie so immer tiefer in den Wald.

Da wollte ihr fast bange werden und sie lief zu einem Baum, umarmte ihn und legte zart ihren Kopf an seine rissige Rinde.
„Großer Bruder, Du … “

Seine Wurzeln streckten sich, ein leiser Hauch, ganz zart und fein lief von ihnen bis zur Krone – die Seele des Baumes.

Da fiel ein Reislein auf das Mädchen, das es zu seinem Schiff trug und es damit schmückte.

Und wieder fuhr es hinaus in die Sonnenbahn, drehte sich und kam ans Ufer zurück.

Als diesmal das Mädchen in den großen Wald lief, setzte es sich auf eine Wiese mitten im großen Wald.
Da kamen alle Tiere des Waldes, Aus Neugierde, oder …. ?
Wie auch immer sie liebten es in seiner Nähe zu sein und alle waren sie satt und zufrieden, denn Sattheit vertreibt Begierden.

Friedlich berührten sie sich, als wären sie einander nur Freund und umtanzten das Mädchen.
Und das Mädchen nimmt für jedes von ihnen ein Blatt um darein seine Geschichte zu ritzen.

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BeitragVerfasst am: So 14 Jan, 2007 20:19    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Da kam aus dem Wald der Königsohn auf einem weißen Pferd mit silbernem Zaumzeug und Glöckchen geritten, neben ihm scritt schritt der Bocksfüßige und blies auf seinem Siebenrohr.
Sie verneigten sich vor dem Mädchen und zogen weiter, vorbei an den Waldgeistern, die aus den Büschen lugten und ihnen zulachten.

Da nahm das Mädchen ein besonders schönes Blatt und zeichnete dies alles nach, trug es zu dem Schiffchen und schmückte es.
Und wieder bließ es der Wind in die silbrige Ferne und wieder trieb er es dann sachte zurück.

Das Mädchen saß am Ufer auf einem Stein und sah über den See.
Die Sonne verschwand am Horizont.
Die Farben der Dämmerung sanken über den See und die Landschaft, sie machten sie ruhig und groß.

Nur am Horizont über einer dunklen Wolkenbank leuchtete der Himmel noch in hellen Sonnenfarben, zartes Rot und Grün und Gelb.
Man sah in ihn hinein wie in ein strahlendes Tor der Ferne, sehnsüchtig lockend,wartend.

Das Mädchen fühlte die Sehnsucht in sein Herz sinken und es leise davon erklingen.
Ihr Kopf sank herab - es schlief ein.

Als es in der Morgendämmerung erwachte, ehe noch die zarten Nebel zum Himmel zogen, brach es Blumen dort und da, flocht sie in sein Haar, schüttete die schimmernden Tauperlen darüber und lief so geschmückt in die lockende Ferne, immer von der Sehnsucht getrieben, dorthin wo sie das leuchtende Tor geschaut.

Ihr Schiffchen zog am Himmel mit.

„Du bist so schön“, sagte man ihr. „Bleib bei mir !“

Aber die Sehnsucht trieb sie weiter.

„Du bist gut“, sagte man ihr. „Bleib bei mir !“

Aber die Sehnsucht führte sie weiter.

Sie wurde traurig.
„Warum liebt ihr mich, wenn ich euch nicht lieben kann ?“

Sie schenkten ihr Bänder ihrer Wünsche, Liebe, Hoffnung und sie schmückte damit ihr Schiffchen, ein zorniges gelbes war auch dabei.

Das Schifflein fuhr fröhlich vor ihr her über den Himmel und der Wind spielte mit seinen Bändern.

Die Sehnsucht führte sie im Kreis zurück in den Wald, wo ihr der große Zauberer begegnete.

„Erlöse mich, ich leide !“
Da ging sie mit ihm.
Doch er war ein Zwiespältiger, rein und sehnsüchtig schaffend, dunkel, verderbend, zerstörend.

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BeitragVerfasst am: Mo 15 Jan, 2007 03:06    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Und sie diente ihm, dem Hellen gehorchend, des Dunkels nicht achtend.
Doch ihr Herz wurde schwer wie Stein und ihr Körper erstarrte, sie verlernte die Sprache, horchte nur, horchte.

Ihre Seele wurde fein und zerbrechlich wie ein gläsernes Instrument und neben ihr schritt unsichtbar der stille blasse Bruder aus dem Schattenreich.

Eines Tages traf sie im Wald das fröhliche Leben.
Es war ein wildes Mädchen, das tanzte über die Wiese, schlug Räder und Purzelbäume, und verschwand lachend im Wald um von neuem aus dem nächsten Busch zu springen.

Der Zauberer angelockt durch die Fröhlichkeit lief hinter drein um sie zu fangen, doch sie entglitt ihm immer wieder und so verschwanden sie lockend und verfolgend im großen Wald.

Da lächelte der stille Engel und strich dem Mädchen übers Haar, sodaß es einschlief.

Es schlief eine Ewigkeit, und noch eine zweite, als es wieder erwachte schien die Sonne, sangen die Vögel und auch sein Herz begann sich leise zu regen, zu schlagen, zu singen.

Vom Berg kam der Hirte, er nahm sie bei der Hand und führte sie durch den Wald, dabei zeigte er ihr ernste und fröhliche Spiele.
Und wieder verstummte sie, doch ihr Herz wurde tief wie ein Brunnen, darinnen es klang und rauschte und voll geheimer Wunder war, und sie hörte hinein und lauschte.

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BeitragVerfasst am: Di 16 Jan, 2007 02:05    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Manchmal sah sie des Hirten Auge verloren durch alles über alle Dinge in einer Ferne, und auch er schien einem Klang zu lauschen, nur von seinem Ohr gehört.

Traf dann wie ungefähr sein Auge einen Berggipfel, unwirklich schön im Sonnenlicht, löste er seine Hand und verschwand über die Hänge.

Und an einem Mittag schön und heiß und lockend wie nie zuvor neigten die Blumen ihre Köpfchen, erbrauste der Wald, der Hirt kam durch ihn gefahren in einem silbernen Wagen mit einer schwarzen Blume und die Pferde zogen lustig an.

Das Mädchen lief neben dem Wagen her und legte seine Hand an seine Wand.
Sie sah durch sie hindurch den Hirten auf seinem Lager ruhen.
Er lächelte ihr zu und die Pferde begannen rascher zu gallopieren.
Das Mädchen lief hinter dem Wagen drein und neben ihr schritt der blasse Schattengleiche.

Es ging immer bergan, den schimmernden Gipfeln zu und als hinter dunklem Felsentor die Sonne sich erhob, blieb das Mädchen geblendet stehen.

Der Wagen fuhr in das Dunkel, da schloß sich der Fels.
Vergeblich pochte das Mädchen.
Die Nacht kam und der dunkle blasse Bruder wachte neben ihr.
„Nimm mich mit !“
Er schüttelte das Haupt und lächelte gütig, strich ihr leise über die Stirne, da schlief sie ein.

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Helge
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BeitragVerfasst am: Di 16 Jan, 2007 02:07    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Und sie erwachte am Ufer des Sees. Es war noch immer Nacht, das Schiffchen lag am Ufer, und dort wo der Platz des Kapitäns war, lag eine dunkle Rose und ihr Duft war süß und schwer.

Da lächelte das Mädchen, ich weiß nicht, ob vor Glück oder Trauer, und begann leise zu tanzen.

Der Morgen kam.
Von den Hängen der Berge strömten Herden von Schafen, Kühen, Pferden und auch schwere große Stiere herbei um das Wasser des Sees zu trinken.

Unter dem Läuten ihrer vielen großen und kleine Glocken grasten sie am Ufer, und standen dann still versunken im Morgenlicht, daß sie selber davon zu strahlen schienen.

Leichte Nebelschleier zogen über ihre Häupter, alles leuchtete, strahlte und alle Farben versanken aufgelöst im Licht.

Das Mädchen sah diese Schönheit wie durch eine gläserne Wand, ihr Herz
blieb still, fühlte nicht Freude noch Trauer, nur wenn der Duft der Rose vom Schiffchen herüber strömte, erzitterte es leise davon und fing zu klingen an, und ihre Füßchen tanzten dazu von selber über die Wiese, und noch immer stand an ihrem Rande der dunkle Engel, doch er war nur mehr ein Traum ihrer Seele.

Der Sommer zog übers Land, prächtig und schön, und die reifen Früchte wurden immer schwerer.
Das Korn neigte sich tief und die Tage wurden still und klar.
Die Sonne malte tiefe satte Farben.
Die Bäume trugen die Früchte nicht mehr und ließen die überreifen zu Boden fallen.

Silberne Fäden schwebten über die Wiese, gelbe Blätter taumelten langsam zur Erde und die Rose tuftete noch einmal süß und schwer.

Da zerbrach leise die gläserne Wand vor dem Herzen des Mädchens und sie fühlte wieder das Wunder der Erde und der Seele.
Und auch der stille Engel verschwand und lächelnd an ihm vorbei huschte das fröhliche Leben, doch jetzt hatte es ein sanftes Lächeln bekommen.

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BeitragVerfasst am: Mi 17 Jan, 2007 00:42    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Das Mädchen neigte sich zu den Blumen, brach sie nicht, faßte nur ihre Schönheit.
Sie kniete nieder zu den Tieren und wurde wie sie.
Sie ging zu den Menschen und vergaß ihre Wünsche.

Sie wurde Baum und Fels und Blume und Tier und Himmel und Erde und war ein Mensch der diente.

Das Tor der Sehnsucht weitete sich über den ganzen Himmel.
Ferne wurde Nähe, und die Sehnsucht stand still über der Erde.

Und der Wind blies das Schiffchen über den See, immer in der Sonnenbahn.
Es wurde immer feiner und fröhlicher und heiterer in seinem Schmuck von der Schönheit des Lebens.

Manchmal lächelte ihm das Mädchen aus der Ferne zu.
Ihr Haar schien nun ganz licht und silbrig weiß.
Das Liebesschiffchen schmückte sie aber jetzt nicht mehr mit den Händen, denn das tat nun ihre Seele.

Als es jetzt aber der Wind wieder in die Sonnenbahn blies, sah man es kaum mehr, so licht und herrlich zart war es geworden in seinem Schmuck.

Viele Liebesschiffchen schwimmen am Himmel, große und kleine.
Jedes trägt eine andere Fracht, schwer und leicht, traurig und fröhlich, doch alle sind sie mit Blumen und Früchten des Lebens geschmückt

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BeitragVerfasst am: Do 18 Jan, 2007 03:01    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Seele die Königin


Einmal erzählte sie die Geschichte von Seele, der Königin.

Irgendwo liegt ein großes Reich. Flüsse, Seen, und Gebirge umschließen es gleich einem herrlichen Kranz.

Es liegt unter dem Himmelsauge wie ein weites helles Tal mit bunten Klecksen,
das sind die Dörfer und Städte,
mit schimmernden Bändern verbunden,
das sind die Flüsse.

In der Mitte des Landes erhebt sich ein so hoher Berg, daß man von seiner Höhe des Landes Grenze ringsum erschaut.
Dort steht Seele, die Königin.

Wenn am Mittag der Sonnenball über Seeles Haupt steht, erstrahlen die Grenzen ihres Reiches so hell, daß sie geblendet das Land zu ihren Füßen nur wie eine dunkelgraue Fläche schaut.

Da legen Liebe und Treue, ihre beiden Dienerinnen eine Binde um ihre Augen, auf daß sie das Innere ihres Reiches besser sehe.

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BeitragVerfasst am: Do 18 Jan, 2007 23:40    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Der Faule liegt am Wiesenrand und die Sonne tanzt auf seinem Bauch.

„Bruder“, sagte der Arbeitsame zu ihm „Du wirst arm bleiben, wirst Du mir meinen Reichtum dann nicht neiden ?“
„Ach“, lachte der Liederliche „Ich liebe das Leben so, und mit dem täglichen Brot und einem Trunk klaren Wassers läßts sich auch gut leben.“

Und zu einem ertappten Dieb sagte der Wächter des Reiches: „Bruder, du tatest unrecht. “
„Ja“, lachte dieser, „doch wars mir so bequemer, auch liebe ich das Abenteuer.“
„Wir müssen dich strafen.“
„Es ist euer Recht“, sagte der Dieb und ging freiwillig mit ihnen.

Wenn aber die Wächter manchmal, denn sie sind Menschen, nicht wissen, ob jener schuldig sei oder nicht, bringen sie ihn vor Seele, ihre Königin.

Ist sein Herz rein, erstrahlt es im sanften Licht, dann sagt Seele zu ihm:
„Geh , Du bist frei !“
Ist sein Herz aber düster, dann bleibt es dunkel vor Seeles innen gekehrtem Auge.
„Er sit schuldig “, sagt sie traurig, und schickt Liebe und Treue, daß sie ihn auf seinem Weg begleiten.

Und der Wächter und der Schuldige neigensich vor Seele und rufen :
„Heil unserem Lande, solange Gerechtigkeit unsere Königin ist.“


Und die Menschen wurden immer wohlhabender, immer fröhlicher und immer übermütiger.

Ihre Stimmen und ihr Land genügten ihnen nicht mehr.
Sie verfertigten lange Trompeten und befestigten reichverzierte Fahnen an ihren Schiffen schauten mit blitzenden Augen in des Nachbars Land und schmetterten in ihre Trompeten, auf das der Nachbar erwache.

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BeitragVerfasst am: Fr 19 Jan, 2007 00:21    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Es sollte nur ein übermütiges Spiel sein.
Aber der Schall ihrer Trompeten tönte weit über die Länder.

Als die Sonne sich wieder erhob, jagen Scharen wilder Reiter vor ihr her, sie fluten über das Land. Unter den Hufen ihrer Tiere sterben alle Blumen dahin.

Als die Sonne ihren Zenith erreichte, verdunkelt sie sich abermals.
Vom Himmel stürzen Vogelmenschen mit metallenen Flügeln und krummen Schnäbeln.
Ihre Zungen sind gespalten und die Töne kommen falsch aus ihren Kehlen.
Ihre Augen sind sanften und fromm und scheuen dennoch den Blick des Nächsten.

Sie umringen Seele, die Königin.
Ihre Flügel stellen die Vogelmenschen so, daß sich die Sonne in ihnen wie weißes Feuer fängt.
Dann reißen sie Seele die Binde von den Augen und blenden sie mit ihrem falschen Licht, sodaß Seele ihre abschreckende Gestalt nicht erkennt.

Seele sieht nur das Licht, das zu Feuer geworden ist, bricht in die Knie und ruft verwirrt und schaudernd: „Wahrheit bist du so schwer zu ertragen? Wirst Du mich töten ?“

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BeitragVerfasst am: Fr 19 Jan, 2007 23:29    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Und der gute Knecht eilt herbei und will seinen kühlen dunklen Mantel um sie breiten.
„Königin, Du irrst, schütze Dich !“

Aber sie erkennt ihn nicht mehr, sieht nur das Dunkel und ruft klagend :
„Schuldig !“

Da sieht der gute Knecht, daß die Königin verloren ist und flieht entsetzt, Liebe und Treue laufen weinend hinter her, doch ist er ihren Augen schon entschwunden.

Das Reich ist zerstört und in des Reiches Mitte treffen sich die wilden Reiter und die Vogelmenschen zum großen Siegesfest.

Seele ist blind, sie liegt wie erstarrt, darob ist das Herz ihres Volkes verwirrt und vermag Gut nicht von Böse zu unterscheiden, auch Liebe und Treue sind geflohen.

Bruder verrät den Bruder.
Bruder schlägt Bruder.
Wer verlor nimmts vom nächsten.
Der Dieb sieht sich in Recht und Ehre,denn er nimmts ja nur von dem ders hat.
Und so fliegt der Hohn mit gelben Flügeln übers Land.

Der gute Knecht liegt todkrank danieder, da denkt er an seine Königin und schleppt sich an den Rand der großen Stadt um seine Brüder zu finden.

Doch die ergreifen ihn und schleppen ihn vor den Richter.
Der Richter, blind, da Seele blind ist schreit ein zweites mal :
„Schuldig !“

Und wieder entflieht der gute Knecht und findet so seine Schwestern Liebe und Treue.
Da keiner mehr auf Seele achtet die starr und blind danieder liegt , tragen Liebe und Treue und der gute Knecht sie in die fernsten Tiefen des Waldes, wo eine blaue Blume zwischen den Steinen steht.

Dort legen sie sie nieder auf ein Lager aus Blättern der Eiche, dem Baum der Treue, und bauen über sie eine Hütte mit Zweigen der Tanne, dem Baum der Liebe.
Sie knien an ihrem Lager nieder und bitten leise:
„Wache auf, Königin, wir leihen Dir unsere Augen, sieh mit ihnen, wir leihen Dir unsere Herzen, fühle mit ihnen !“

Und sie warten lange und eine Ewigkeit.
Leise beginnt Seele zu atmen, und ganz zart wie Blut schimmert es unter ihrer Haut.
Sie ist nicht tot für immer, sie schläft nur.
Wann wird Seele erwachen ?

Bis dahin beschützen Liebe und Treue und der gute Knecht ihren Schlaf.

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BeitragVerfasst am: Mo 29 Jan, 2007 01:46    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

"Und meine Geschichte ?" fragt der wilde Mann.

"Ach du lieber Gott", beginnt das Goldene Tier verträumt,
"hast einen langen Bart uns sitzt auf goldenem Throne auf der großen Himmelswiese und sinnst uns sinnst viel hundert Jahr.

Dann öffnest Du die Augen und ein Strahl fällt über die Erde und sie jubelt und jauchzt.

Wieder sinnst Du hundert Jahr und öffnest die Augen und ein Blitz fällt über die Erde und sie bebt und stöhnt.

Wieder sinnst Du hundert Jahr und was kommt jetzt ?
Ein Blitz ?
Eine Sonne ?
Kleine Teufel mit Ringelschwänzchen und schweflig rotem Fell, oder kleine Engel mit prallen dicken Bäuchlein ?"

Da droht der wilde Mann mit dem Finger und lächelt.
Das verwirrte das braune Mädchen und es wußte nicht mehr weiter.

Der Tag ist noch nicht zu Ende.
Die strahlende Sonne verschwindet nur langsam am Horizont in einem leuchtend roten Bett - jetzt erst verblasst auch dieses.

"Heute Nacht kommt der Sturm", sagte plötzlich ernsthaft der Wilde Mann.

Noch rührte sich kein Blatt.
Stille !

Da - dunkle Wolken quellen am Horizont empor, türmen sich übereinander, werden immer dunkler, schwärzer.

Ein Käutzchen schreit !
Ein feines Sausen.

Wolkenfetzen jagen wie riesige schwarze Vögel über den Himmel.
Manchmal blitzt ein Mondstrahl durchs Gewölk - tageshell für Sekunden.

Da kommt der Sturm, brüllend schüttelt er die Bäume, daß sie tief die Wipfel vor seiner Macht beugen.

Äste krachen, peitschen durch die Luft.
Früchte, reif und unreif prasseln zu Boden.
Es heult und pfeift wie ein Fest von Tausend Teufeln.

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Helge
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BeitragVerfasst am: Di 30 Jan, 2007 04:26    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Da nähert sich von fern mit wildem Lachen und Gesang der königliche Brautzug.

Reiter stürmen durch den Wald , voran der König auf weißem Pferd, wie funkelt seine Krone im Mondenlicht.

„Goldenes Tier, wir holen Dich ! Sei unsere Königin für einen Tag und tausend Jahr !“

Schnell,schnell, starke Arme fangen sie, heben sie hoch aufs Roß !

Fort jagt singend und jubelnd die wilde Schar,
voran die Fahne bunt flatternd im Winde gar.

Im Schloß aus weißem Marmor ein strahlend erhellter Saal.
Blumenumwunden der kostbare Damast auf langer Tafel trägt die goldenen Schalen mit köstlichsten Früchten.

Ein Mädchen reicht die Willkommensgaben:
„Knuspriges Brot und Salz aus der Erde !“
Die zweite kredenzt einen goldenen Pokal:
„Frisches Wasser aus tiefer Quelle !“

„Wie gut, noch nie hab an was besseren ich mich gelabt,
von nun an will ich nur dies köstliche Wasser aus reiner Quelle !“

Am nächsten morgen fingen die alltäglichen Geschäfte wieder an.
Der Bach sprudelte munter, Kühe wurden gemolken und auch die braunen Ziegen kamen vom Berg herab zu den Melkschemeln.
Butter und Käse wurden gemacht und frischer Wabenhonig aus dem Wald geholt.

Wenn der Regenbogen Himmel und Erde band suchten alle im Schloß, die Großen wie auch die Kleinen ihre Körbe zusammen und holten darin die prächtigsten Schwämme aus dem Wald.

Ja und mit dem Schloßbären gingen sie hinaus und holten die süssesten roten Beeren nach Hause, die man sich vorstellen kann.

Und so kam dann der November ins Land, der Monat der Nebelfrauen.
Noch schlafen sie träumend an den Ufern der Bäche, Seen und Tümpeln.
Ihre leichten Gewänder liegen wie Rauch über dem Wasser.

Der Mond lächelt zärtlich herab auf die grauen Schläferinnen, die die Dämmerung lieben und das Licht scheuen.

Jetzt lacht er spitzbübisch und schickt einen leuchtenden Mondstrahl über ihre Köpfe.
Da erwachen sie. Noch schlaftrunken raffen sie ihre Gewänder zusammen und steigen hoch, breiten sich, durchfließen den Wald und bedecken das Grün der Wiese.

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BeitragVerfasst am: Do 01 Feb, 2007 04:03    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

„Ach der Mond, das Licht .“
Ganze Scharen versuchen es zu verdecken.
„Das Licht !“
Es will ihnen nicht gelingen. Immer wieder kommt es an einem Eckchen hervor.
Neue Scharen kommen zu Hilfe.
„Schlafe Mond, träume von Sternennächten .“

Da tritt der König zu einer blitzenden Schale aus gelben Metall, die zwischen zwei wunderbar geschnitzen Säulen steht.

Er nimmt den Klöppel aus Holz, der daneben auf dem Altar ruht und berührt mit ihm die glänzende Schale.

Da ertönt ein mächtiger wundervoller Klang, der bis an des Reiches Grenzen schwingt.

Das Volk eilt jubelnd zur Schale faßt des Königs Hände und bildet einen blumengeschmückten Kreis.

Der König beugt sein Knie und sie krönen ihn mit einem duftenden Kranz aus dunklen Rosen.

In der Mitte des Kreises aber steht der Bär.
Er erhebt seine mächtige Gestalt auf die Hinterbeine und beginnt zu singen:

Ich bin traurig und werde fröhlich.
Ich bin jung und werde alt.

Tausendfach sind meine Gestalten.
tausendfach wurde ich schon alt.

Ich lebe und ich sterbe,
und ich vergolde, was ich vererbe.

Als die Sterne diesen Gesang hörten und die Tanzenden sahen, riefen sie:
„Wir tanzen mit !“

Und der erste Stern sprang in toller Freude von einem Himmelsende zum anderen.
Der größte von Ihnen begann sich langsam um das Ende seiner Achse zu drehen.
Die Sterne, die nicht tanzen konnten, blieben stehen und die anderen drehten sich in geschwungenen Kreisen und Kurven um sie.

Nachdem der erste Stern auch seinen Platz gefunden hatte, war so
mehr Ordnung und Schönheit in ihrem Tanz, als wenn alle auf einmal getanzt hätten.

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BeitragVerfasst am: Do 01 Feb, 2007 04:08    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

DAS LIED DES LEBENS


Auch das andere Mädchen, das im Haus des Wilden Mannes zurückgeblieben war, bemerkte die tanzenden Sterne am Firmament.

Es war sehr traurig geworden, nachdem das Goldene Tier mit dem König fortgeritten war. Es hatte nicht einmal mehr Freude an dem magischen Flimmern und Glitzern im Haus.

Plötzlich kam ein starker Duft aus dem Garten herauf und lockte:
„Komm herab !“
Auch die Nacht draußen sang :
„Komm zu mir !“
Der große blinkende Stern am Himmel rief:
„Ich will Dich führen !“

Da stieg sie durchs Fenster und sehr vorsichtig über die Pelargonien, daß sie ihre Köpfchen nicht bräche, auf die Silbertanne.

Die Äste waren flach und dicht und der nächste Ast stand immer etwas vor dem höheren vor, sodaß sie wie auf Stufen von einem Ast zum anderen auf die Erde hinabsteigen konnte.

Sie ging durch den mondbeschienen Garten.
Es war fast so hell wie am Tag, nur war alles in ein sanftes blaues Licht getaucht.
Diese Licht floß wie Wasser über alle Dinge und machte alles zauberhaft fremd.

Im Garten stand die Katze und sah ihr verwundert mit großen Augen nach.

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