Lerninsel des Ordens Foren-Übersicht
 Homepage  • Portal  •   Forum  •  Profil  •   Finden  •  Album  •  Kalender  •  Beiträge seit dem letzten Besuch anzeigen
Letzte Themen  •    •  Registrieren  •  Einloggen, um private Nachrichten zu lesen  •  Login   

 Der Bauzaun

Neues Thema eröffnenNeue Antwort erstellen Lerninsel des Ordens Foren-Übersicht » Hain der Birke - Hain für unsere Besucher » Gedichte » Von Freunden &sid=6d189801832395a42b16f3ea1a2237d7 » Jarl Jesko schafft Wortgewicht
Insgesamt ist ein Benutzer online: Kein registrierter, kein versteckter und ein Gast.
Benutzer in diesem Forum: Keine
Autor Nachricht
JeskoJakob
Das Licht des Nordens
Das Licht des Nordens



Geschlecht:
Alter: 54
Anmeldungsdatum: 24.12.2004
Beiträge: 158
Wohnort: Am nørdlichen Wendekreis
Sternzeichen: Waage 

norway.gif


BeitragVerfasst am: Di 04 Jan, 2005 18:41    Der Bauzaun Antworten mit ZitatNach oben

Geschrieben am 23.11.2004 19:09

--------------------------------------------------------------------------------

Der Bauzaun

Die Kugel schwang hin und her, trudelte, während die Wand in sich zusammenfiel und mit Getöse zu einem Haufen aus Schutt verwandelt wurde. Er stand da, hinter dem braun bebretterten Bauzaun, so wie er es schon in seiner Kindheit getan hatte, an der selben Stelle, fasziniert von den Baumschinen, dem Krach, der hinter dem Zaun hervorquoll. Er erinnerte sich, wie die Maurer Stein für Stein, gebunden in Mörtel, aufschichteten und sich nach und nach hohe, dicke Mauern daraus auftürmten. Die Kugel schwang aus und rammte von neuem mit unerbitterlicher Gewalt die Wand; Risse zuckten für einen winzigen Augenblick über das Mauerwerk und wieder fielen die Steine zu einem immer höher wachsenden Schutthaufen zusammen.

Während der letzten Schulstunde hatte er unruhig dem Ende entgegen gefiebert, war auf seiner Schulbank hin und her gerutscht in der Erwartung, endlich wieder durch den Bauzaun schauen zu können und dem steten Schichten der Maurer zuzusehen. Damals ist es nicht so wie heute gewesen, kein Haus wurde in Formen mit Beton in kürzester Zeit gegossen, aus dem Boden gestampft. Damals ist jeder Stein noch angefasst worden, vom Maurer sorgsam in den Mörtel gebettet und nach festen Regeln beklopft und ausgerichtet; solange bis der Maurer mit seiner Arbeit zufrieden war.

Die Staubwolke machte sich vor dem Loch, durch welches er blickte, breit und verdeckte für einen kurzen langen Moment seine Sicht. Als Kind hatte er immer davon geträumt, in seinem Haus, das mit ihm gewachsen war, seine Zeit zu verbringen, in ihm zu arbeiten – egal was, zu wohnen, hauptsache, er konnte mit seinem Haus zusammen sein. Ein Bulldozer schob den Haufen zusammen, während ein Bagger damit beschäftigt war, emsig, Schaufel um Schaufel auf Lastwagen zu laden, die Steine irgendwohin abzutransportieren. Nach dem er seinen Beruf in seinem Haus gelernt hatte, wohnte er dort, oben, ganz oben mit dem Blick über die Stadt. Er verbrachte jeden Tag in ihm, lebte in ihm, kannte es von ganz unten her. Er wischte sich die vom Staub sämig gewordenen Tränen von den Wangen und beobachtete die Bewegungen jenseits der braunen Bretterwand durch das Loch, welches durch ein zersplittertes Brett entstanden sein musste.

Plötzlich, unerwartet ist der Brief da gewesen. Er hatte es nicht verstanden, all’ diese Sätze, diesen Wust an Ausdrücken und Formulierungen. Warum eine andere Wohnung? Er hatte doch seine, in seinem Haus, er nur ein paar Jahre älter, aber gleich stolz. Seine Hände schwitzten, obwohl sein Atem weißgrau, ähnlich dem Staub, der sich mit seinen Tränen vermischte, vor Kälte in der Luft hing.

Sicher hatte sein Haus auch schon bessere Zeiten gesehen, Zeiten in denen sich die größten Künstler die Klinke in die Hand geben und ihn mit seinem Vornamen grüßten, wenn sie durch den Bühneneingang an der Pforte vorbei gingen, denn er hatte für alle und jeden immer ein offenes Ohr gehabt. Die Kugel riss mit aller Wucht das Bühnenportal nieder und der rote Samtvorhang flatterte, ja schwebte fast, durch die kalte Herbstluft und legte sich, die Formen des Schutts nachzeichnend, wie ein Leichentuch über die Trümmer. Er hatte kleine Perlen auf der Stirn, seine Hand schloss sich um die splittrige Kante des Loches so fest, dass seine Adern an den Schläfen anschwollen, blau, dick und im Takt des schlagenden Herzens pulsierend.

Erst letzte Woche waren sie gekommen, hatten seine Möbel verladen und ihn in eine moderne Wohnanlage mit Heizung, Fernseher und Speisesaal gebracht in dessen Zentrum eine Begegnungsstätte lag, wo für Unterhaltung gesorgt wurde; wenn man es annahm. Wer brachte jetzt wohl die Kohlen zum Heizen nach oben, hatte er sich gefragt.

Die geballte Energie, die von der Kugel ausging und von der Maschine, an welcher sie hing, wurde an der letzten Wand entladen, die noch einmal kurz erbebte, zitterte wie ein letztes Aufbäumen und fast lautlos in sich zusammenfiel. Ihm wurde heiß, sein Blick schwebte über dem Platz und da stand es in strahlendem Licht, stolz, prächtig. Seine Beine gaben unter dem Gewicht seines Körpers nach.

Jesko-Jakob Judis 05/1995

_________________
Ich bin im Nebel; wenn ich ihn verlasse werde ich sein. PS: Gott ist polygam und bisexeuell.

OfflineBenutzer-Profile anzeigenPrivate Nachricht senden    
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:      
Neues Thema eröffnenNeue Antwort erstellen


 Gehe zu:   



Berechtigungen anzeigen


Forensicherheit

3269 Angriffe abgewehrt


Copyrighthinweis:
Diese Seiten dürfen nicht, auch nicht auszugsweise, kopiert werden. Zuwiderhandlungen werden mit rechtlichen Schritten verfolgt.
© Copyright 2004-2010 Avalonorden des Roten Drachen e.V.

Powered by Orion based on phpBB © 2001, 2002 phpBB Group
CBACK Orion Style based on FI Theme
Alle Zeiten sind GMT + 1 Stunde



[ Page generation time: 0.054s (PHP: 61% - SQL: 39%) | SQL queries: 25 | GZIP enabled | Debug on ]