Der Bahnstreik

Sir Markus.

Als ich heute morgen kurz nach sieben zur Uni fahren wollte, kam eine Durchsage, dass aufgrund des Streiks der Lokführer Mainz HBF nicht angefahren wird. Eine Menge Leute drängten sich auf dem Bahnsteig und steckten in Worms fest. Der Mann am Lautsprecher schlug irgendwann vor, wer nach Mainz wolle, solle nach Alzey fahren, und von dort weiter nach Mainz.

Das habe ich dann getan, aber mit weit über zweistündiger Verspätung habe ich meine Vorlesung natürlich verpasst. Hätten wir eine Klausur geschrieben, hätte mich das das Semester kosten können. Zum Glück konnte ich wenigstens die Anwesenheitsliste ergattern, und so vermeiden, dass mir die Vorlesung aberkannt wird.

Was denkt ihr über diesen Streik? Ist er gerechtfertigt?
Wie sehen die Arbeitsbedingungen der Lokführer überhaupt aus?

Darf man im öffentlichen Dienst überhaupt streiken?
Denn streiken Arbeiter in einer Fabrik, trifft es nur das Unternehmen selbst. Streiken Lokfüher, tragen sie ihren Kampf auf dem Rücken ihrer zahlenden Kunden, ja sogar auf dem Rücken der ganzen Volkswirtschaft und des Staats aus.

**Gast**

Interessant im Streikthema ist, dass es immer einen Gewinner gibt und auch Verlierer.

Der Gewinner wird diesesmal wieder von den Mineralölkonzernen gestellt,
die pünktlich zum Streikbeginn eine Spritpreiserhöhung von 7 Cent / Liter
angekündigt haben.

Lady Birgit

Das ganze Thema Streik ist eine heikle Sache.
Irgendwann einmal waren Streiks und Gewerkschaften das Mittel um sklavenartige Arbeitsbedingungen zu beenden.
Die ersten Gewerkschaften hatten etwas von einer Volksbefreiungsarmee. Das waren Helden voller Idealismus, die etwas Wichtiges bewirkten, nämlich die Akzeptanz von Arbeitern als Menschen.
Und heute ?
Ich finde nur noch Machtwahn, Egozentrik, übersteigerte Ansprüche und eine Entfernung von eben den ursprünglichen Werten.
Wie seht ihr das ?

Sir Markus.

Ich habe leider keinen Einblick in interne Vorgänge von Gewerkschaften. Das wenige, was ich als Außenstehender mitbekomme, stellt sich mir als finanzkräftige Organisationen da, die durchaus an die größeren Parteien erinnern in ihrem Auftreten.

Von meinem Vater weiß ich, dass er für seine Gewerkschaft Mitgliedsbeitrag bezahlt und Leistungen in Anspruch genommen hat (und auch immer noch nimmt, trotz dass er nicht mehr arbeitet), aber sich nie beteiligt hat.
Es ist schon länger her, dass ich mal das Gewerkschaftsmagazin gelesen habe. Die Gewerkschaft IGBCE schien ihre eigene Wirtschaftpolitik in Abhängigkeit ihrer Gönner zu machen.

Ob allgemein die Ansprüche der Gewerkschaften überzogen sind kann ich nicht sagen. Ich halte es für fair an steigenden Gewinnen beteiligt zu werden, auch unter Berücksichtigung der Inflation.
Die Forderung von 31% erscheint mir jedoch auch stark übertrieben.

Eine Sache, die mich am Mittwoch geärgert hat, was das Verhalten der Lokführer. Ein Fahrgast hoffte, nich in Alzey festzusitzen. Darauf entgegnete der Lokführer einfach: "Die Hoffnung stirbt zuletzt."

Eine Frechheit sondergleichen. Sowieso ist mir an diesem Morgen nur selbstzufriedenes Grinsen begegnet.

Wäre es nicht vernüftig gewesen, bei den vor den Kopf gestoßenen Kunden wenigsten um Sympathie und Verständnis zu kämpfen? Oder zumindest höflich zu sein? Machtwahn, durchaus möglich.

**Gast**

Ich kenne persönlich einen (jetzt pensionierten) Lokführer, und weiss um die Schichtdienste für einen Hungerlohn. Es gibt immer noch ganze Berufsgruppen, u.a. auch KrankenhausÄrzte u. Pfleger/Schwestern, die nicht ihrer Leistung u. Verantwortung gemäss entlohnt werden.
Naturlich ist die Forderung von 31% überzogen - sie soll lediglich den Mißstand der Lokführer aufzeigen.

Ich nehme an, dass die persönlichen Erfahrungen Streikbetroffener sehr unterschiedlich waren (siehe Wanderer). Wir dürfen übrigens froh sein, dass hierzulande die Streikbereitschaft noch relativ gering ist -gegenüber z.B. Italien. Es wird nämlich verdammt eng, wenn Müllabfuhr und Wasserwerke ihre Arbeit niederlegen...